Harald Kurt Liese
Fotos aus dem Frankfurt der 50er und 70er Jahre
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Eschenheimer Tor » Nitribitt-Haus

Direkt südlich vom Kino "Turmpalast" entstand in den 50ern ein Wohnhaus, das man heute vor allem durch die "Detektiv Tudor"-Leuchtreklame kennt, die dort schon seit Jahrzehnten vorhanden sein muß. Auf den Fotos, die mein Großvater gemacht hat, sieht man nur das leere Baugrundstück und ein Bauschild, das die beiden Neubauten "Appartmenthaus Am Turmpalast" (Läden und 20 Wohnungen) und "Appartmenthaus am Eschenheimer Turm" (Läden und 34 Wohnungen) ankündigt.

Auf dem vierten Foto sieht man, daß an der Stelle des Wohnhauses einer der Säle des Kinos "UFA Groß-Frankfurt" gestanden hat: Das Gebäude mit der hohen fensterlosen Wand stand direkt an der Stiftstraße. Das spätere Turm-Kino wurde dagegen auf den Ruinen des nördlichen Saals des Groß-Frankfurt gebaut (ob Kino- oder Theatersaal ist unklar, das "Groß-Frankfurt" war sozusagen ein "Multi-Entertainment-Center"). Auf den beiden oberen Fotos ist dieser Gebäudeteil bereits abgerissen um Platz für die Wohnhäuser zu schaffen.

Die Architektur war spröder als die der Nachbarn - die südliche Seitenfront rhythmisiert von den innen liegenden Balkonen der Apartments, die nördliche kahl wie eine Brandmauer. Die Schaufront aber gestaltete man mit einem markanten Eckrisalit. Seine konkave Stirnseite blieb fensterlos, um Raum für Transparente und Leuchtreklamen zu gewinnen. Damals dynamische Leuchtzeichen der neuen Zeit, wecken sie noch heute Hochgefühle, sind mit dem hektisch rotierenden Strahlenkranz einer Detektei, neonblinkenden Schriftzügen samt beleuchteten Filmplakaten ein Splitter Times Square - und der allgemeinen Stimmung eine Rettungsboje im bürokratisch gesteuerten, energetisch einwandfreien Lichtermeer der neuen Energiesparlampenwelt.

Quelle: Auf der Suche nach irgendwas, das bleibt, FAZ vom 12.02.2010

Das zweitgenannte Appartmenthaus, die Stiftstraße 36, ist heute auch als "Nitribitt-Haus" bekannt, denn in der Wohnung ganz oben links (von der Hauptwache aus gesehen, also die Fenster über der Telefonnummer vom Tudor) hat in den 50ern das "Mannequin" (oder Callgirl) Rosemarie Nitribitt gewohnt. Und dort ist sie 1957 auch ermordet worden. Der Mord wurde nie aufgeklärt, dafür aber mehrfach verfilmt. Mehr Infos und viele Fotos gibt es auf Blofelds Krimiwelt. Auch im Blog der FR gibt es einen interessanten Artikel.

Das Kino ist inzwischen leider geschlossen und soll abgerissen werden. Das gleiche gilt auch für die Wohnhäuser Stiftstraße 32 und 34. Das Nitribitt-Haus (Nr. 36) ist zur Zeit noch nicht gefährdet, weil der Eigentümer "Unsummen" dafür verlangen würde und wohl noch weiter spekuliert (vgl. Pflasterstrand Blog).

Ganz interessant finde ich übrigens, daß Wilhelm Berentzen nicht nur der Architekt des Gebäudes war sondern später auch dessen Eigentümer. Und als der Film "Das Mädchen Rosemarie" in die Kinos kam, wollte er gerichtlich verhindern, daß sein Appartmenthaus im Film mit der kompletten Adresse genannt wird (vgl. SPIEGEL aus dem Jahr 1959).

Die Fotos von den Briefkästen stammen - wie leicht zu erkennen - nicht aus dem Nibtribitt-Haus sondern aus der Stiftstraße 34. Die beiden Gebäude sollten sich im Inneren aber sehr ähnlich sein.

Einen interessanten Artikel über das Haus, vor allem aber über die Wirkung der "Tudor"-Leuchtreklame befindet sich auf dem Blog Neustadt Frankfurt.

Aktuelle Infos zum Abriss gibt es auf der Facebook-Gruppe Kino am Turm / Rettet das Nitribitt-Haus und den Turmpalast.

Tags:
Kultur   Wohnhäuser   50er   Kino   Nitribitt   Berentzen  
Letztes Update:
2011-08-26
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